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Radwanderwoche

Radwanderwoche im Oldenburger Münsterland vom 1. bis 8. September 2024

Die ca. 350 km lange Strecke orientiert sich an der ›Boxenstopp-Route‹ (siehe bikeline-Führer oder Radkarte ›Oldenburger Münsterland‹). Die Anreise erfolgt am 1. September per Bahn von Ahrensburg nach Oldenburg; Rückreise entweder am 7. oder 8. September (in der Planung noch nicht entschieden); Rückreise per Bahn über Oldenburg nach Ahrensburg. Die Teilnehmerzahl ist auf 14 begrenzt. Und wir fahren ohne Akku – warum? Weil wir es können!

Aus der Werbung für diese Tour: »Auftanken, Durchatmen und Wohlfühlen im Oldenburger Münsterland – dazu lädt die Boxenstopp-Route ein: Radeln mit Boxenstopps zum Einkehren und Einkaufen, Übernachten, Erholen und Erleben, immer geprägt von ländlicher Kultur. Die 325 Kilometer lange Radwanderroute bietet ein abwechslungsreiches Radvergnügen von den Dammer Bergen bis zum Barßeler Tief, vorbei an Bergen, Seen, Flüssen und durch eine einzigartige Moor- und Geestlandschaft. Für Kulturinteressierte bieten sich entlang der Route zahlreiche niedersächsische Fachwerkbauten sowie diverse Museen an, wie z.B. das Museumsdorf in Cloppenburg oder das Museum im Zeughaus in Vechta.«

Die Strecke verläuft auf verkehrsarmen Landstraßen und asphaltierten Radwegen, wenige Wege sind unbefestigt. Es gibt weder ›schwierige‹ Steigungen noch starke Gefälle. Der Übernachtungspreis pro Doppelzimmer mit Frühstück liegt bei 850 €, der Preis für die Bahnfahrt wird noch ermittelt.

Peter Tischer

Die Tour ist ausgebucht.

Rad-Münster Museumsdorf Wehlburg-Wikimedia

 

Bericht: Auf dem Aller-Radweg – ›ohne Akku‹ von Bremen nach Magdeburg

Noch vor Sonnenaufgang treffen wir uns am 23. August 2023 vor dem Ahrensburger Bahnhof; 14 Radlerinnen und Radler, die an der Aller von Bremen nach Magdeburg fahren wollen. Um das ›Erlebnis Bahn‹ möglichst ohne Stress hinter uns zu bringen, haben wir unsere Gruppe aufgeteilt. Zum Hauptbahnhof fährt ein Teil mit Zug 1, der zweite Teil mit Zug 2, beide in dichter Folge. Warum das? Wenn 14 Radler in ein Fahrradabteil drängen, gibt es immer Ärger. Mitreisende müssen von ihren Klappsitzen runter, der Zugbegleiter ist genervt, weil alles zu lange dauert. Und an jedem Bahnsteig gibt es das Nadelöhr Fahrstuhl. Die Idee erweist sich als gut. Wir erreichen den ›Metronom‹ nach Bremen ohne Probleme. In diesem Zug gibt es ein Fahrradabteil mit über 40 Plätzen.

In Bremen begrüßt uns ein frischer Sommermorgen (Abb. 1). Die Stadt ist im Begriff, sich den Schlaf aus den Augen zu reiben. In unserer Gruppe geht es einigen genauso. Die Touristenscharen sind noch nicht vor Ort. Wir leisten dem Roland (Abb. 2) und den Stadtmusikanten Gesellschaft, trinken einen belebenden Kaffee am Markt und machen uns auf den Weg durch die Böttchergasse zum Weserradweg (Abb. 3). Der Allertalradweg beginnt erst in Verden und ist noch 55 Kilometer entfernt. Das ist heute unsere erste Etappe.

01 Allerrad  vor dem Bremer Hauptbahnhof02 Allerrad Bremen Roland03 Allerrad Bremen alter HafenUnd was er-fahren wir an diesem ersten Tag der Reise? Burgen und Schlösser? Nein, Wiesen, Altarme der Weser, sie selbst mal hin und wieder, Deiche, Schafe und Störche (Abb. 4 + 5). Beschaulich radeln kommt von schauen. In Thedinghausen nun doch ein Schloss, der Erbhof, in dem einst der Bremer Erzbischof im 17. Jahrhundert seine Geliebte standesgemäß unterbrachte. O tempora, o mores! Wunderschöne Weserrenaissance, heute öffentliches Gebäude mit Standesamt. Sie können da heiraten. Wir kreuzen die Schienen des ›Pingelheini‹, einer ehemaligen Kleinbahn, unrentabel eingegangen, als Museumsbahn wieder auferstanden. Verden (Abb. 6) erreichen wir über eine kleine Steigung. Die Stadt hat sich vor dem Hochwasser der Aller in Sicherheit gebracht. Wir haben unterwegs gebummelt. Trotzdem bleibt noch viel Zeit, Verden zu erkunden. Im Dom üben Organist und Oboist für eine kommende Veranstaltung. Hoch oben am Turm grüßt der verdammte ›Steinerne Mann‹ (Abb. 7). Ein Küster, der erst Geld des Domkapitels unterschlagen und dann noch auf den Teufel geschworen hat, dass er es nicht war. Der Leibhaftige hat den Meineidigen daraufhin persönlich eingemauert. Den Abend beschließen wir genussvoll im Biergarten der Domschänke.

04 Allerrad Weser05 Allerrad Am Weserdeich06 Verden Markt u Rathaus07 Verden Dom Steinerner MannTags drauf geht es neben der neuen Bahnbrücke über die Aller (Abb. 8). Dem recht breiten Fluss kommen wir immer wieder nahe. In Hülsen halten wir unter großen Eichen vor einem Ensemble historischer Schafställe. Der ›Kulturförderkreis Hülsen‹ erhält die in ihrem originalen Zustand restaurierten Gebäude ehrenamtlich. Die ehemals 34 Ställe wurden zwischen 1650 und 1780 erbaut. Die Heidebauern, die hier lebten, konnten sich auf dem kargen Boden nur Schafe und Ziegen leisten. Schautafeln informierten uns über das armselige Leben der Schafshalter.

08 Allerrad AllerschleifeWir fahren durch Rethem, das durch die Kämpfe an der Aller 1945 viel historische Substanz verlor, und kommen vor die prächtige Hofeinfahrt des Ritterguts Frankenfeld (Abb. 9). Wir rollen auf den Hof mit seinem schmucken Fachwerk-Herrenhaus. Der Name deutet auf eine fränkische Gründung aus der Zeit Karls des Großen hin (780 n. Chr.). Neben der Landwirtschaft (ca. 200 ha.) verdient der Hof sein Geld mit einem Campingplatz direkt an der Aller.

09 Allerrad Rittergut FrankenfeldIn Ahlden erfahren wir etwas über Sex and Crime im Barock. Georg Ludwig von Braunschweig, der spätere englische König Georg I., heiratete einst seine 16-jährige Cousine, die Kurprinzessin Sophie Dorothea. Im Laufe ihres Ehelebens verliebte sie sich in den Grafen Philipp Christoph Graf von Königsmarck, einen ausgesprochenen Schönling. Sie wollte sich von ihrem Gatten scheiden lassen. Dieser bestellte den Liebhaber seiner Frau in das Leineschloss. In der Nacht vom 11. zum 12.07.1694 wurde er dort von vier Hofleuten ermordet. Des Grafen Leichnam warfen sie in die Leine. Die Kurprinzessin wurde schuldig geschieden und lebenslang ins Schloss Ahlden verbannt (Abb. 10).

10 Allerrad Schloss AhldenNoch erschüttert von diesem Ehe­drama erreichen wir Schwarmstedt, eher an der Leine als an der Aller gelegen, und beziehen unsere Unterkunft in einem urgemütlichen, familiengeführten Gasthof. Am nächsten Tag geht es bis Celle. Auf dem Wege liegt das Erdölmuseum in Wietze (Abb. 11). Dafür lassen wir uns viel Zeit. Auf dem 1963 stillgelegten Ölfeld kann man auf ca. zwei Hektar Gelände Originalgeräte und Modelle der Förder- und Bohreinrichtungen von 1900 bis heute sehen. Im Museumsgebäude erhalten wir interessante Informationen zu den sozialgeschichtlichen Begleiterscheinungen dieser Industrie. Nach dem Museumsbesuch erschauern wir im Regen und stellen uns ›beim Bauer‹ unter. Celle erreichen wir früh (Abb. 12). Die Stadt ist vom Hotel aus fußläufig über eine kleine Allerbrücke zu erreichen. Wir genießen den Abend und speisen in Thaers Wirtshaus.

11 Allerrad Erdölmuseum Wietze12 Allerrad RegenstundenAm nächsten Morgen führt uns Herr Hintz durch die vollständig erhaltene historische Innenstadt. Celle (Abb. 13, 14, 15) ist eine Bilderbuchstadt, Fachwerk reiht sich an Fachwerk. Interessant ist, dass ihr Gründer, Herzog Otto der Strenge, seine Stadt ab 1292 planmäßig nach einem Quadratraster anlegen ließ. Nach diesem Vormittag erreichen wir nach wenigen Kilometern das Kloster Wienhausen (Abb. 16) und erleben dort die zweite Führung des Tages. Das Zisterzienserinnenkloster wurde 1230 von Agnes von Landsberg gegründet, der Schwiegertochter Heinrich des Löwen. Die Führung durch das Kloster ist sehr informativ, verlangt aber auch von uns viel Konzentration. Besonders beeindruckt uns der Nonnenchor mit seiner vollständig im Original erhaltenen Bemalung. 1528 führte der Herzog Ernst von Braunschweig die Reformation in seinem Herzogtum ein. Die Nonnen wehrten sich lange erfolgreich gegen die Umwandlung des Klosters in einen evangelischen Frauenkonvent. Dem Herzog riss 1531 die Geduld mit den störrischen Damen und er zerstörte ihnen einen Teil des Klosters. Danach bekam er die verlangte Ergebenheit. Etwas erschöpft durch so viel Mittelalter erreichen wir Gifhorn.

13 Allerrad Celle Rathaus14 Allerrad Celle Herr Hintz Schloss15 Allerrad Celle Schloss16 Allerrad Kloster WienhausenIn der Planung dieser Radreise wird der Sonntag, 27.08., zum Problem. Auf dem Weg nach Oebisfelde liegen das Mühlenmuseum in Gifhorn (vormittags), die VW-Autostadt sowie die ›Phaeno-Experimentierlandschaft‹, beides in Wolfsburg (nachmittags). All das hätte einen ganzen Tag gekostet. Also müssen wir diese Highlights leider streichen.

Da wir an diesem Morgen das Gelände des Museums umfahren, können wir doch eine Menge sehen. Auf dem Weg nach Wolfsburg stellen wir am Mittellandkanal fest, dass die Brücke für die Überquerung verschwunden ist. Zwei ältere Damen bestätigen: Hier gab’s mal eine Brücke. Daraufhin raten sie uns: »Fahren Sie am Kanal entlang, bis es nicht mehr weitergeht!« So weit lassen wir es aber nicht kommen. Wir finden mit Hilfe der Karte schließlich eine gute Brückenlösung, durchfahren die Stadt an der futuristischen Architektur der Phaeno-Experimentierlandschaft vorbei, werfen noch einen Blick auf die ›Autostadt‹ und machen schließlich Rast vor dem Schloss Wolfsburg (Abb. 17).

17 Allerrad Wolfsburg SchlossWir kreuzen erneut Aller und Mittellandkanal, tauchen ein in die Wälder des Drömling. »Das frühere Sumpfgebiet wurde im 18. Jahrhundert auf Weisung Friedrichs des Großen durch Entwässerung von einer Natur- in eine Kulturlandschaft umgewandelt. Heute ist die Niederung mit dem Mittellandkanal und den Flüssen Aller sowie Ohre Rückzugsgebiet für seltene oder vom Aussterben bedrohte Tier- und Pflanzenarten.« (Wikipedia). Die Gegend ist mückenverseucht. Gegen die blutgierigen Biester, die uns bei jedem Halt überfallen, helfen nur chemische ›Kampfstoffe‹, mit denen wir uns gegenseitig einsprühen. Bei Grafhorst überqueren wir die ehemalige DDR-Grenze (Abb. 18) und erreichen Oebisfelde, unser Tagesziel.

18  Allerrad Grenze bei GrafhorstTags drauf betrachten wir Oebisfelde von oben, den ehemals bedeutenden Transitort für Bahnverkehr (Abb. 19). Wir dürfen mit Erlaubnis der Stadtverwaltung den Turm der ›Sumpfburg‹ besteigen und genießen einen herrlichen Rundumblick – bis zu den Türmen von Wolfsburg. Zweimal schneiden wir heute noch die ehemalige Grenze, bevor wir auf den Aller-Elbe-Radweg nach Osten einbiegen. Hinter Seggerde (großer Gutshof) wird über Steigungen (Abb. 20) gestöhnt. Die reifen Pflaumen am Wegesrand lenken allerdings ab von dieser ›Pein‹. Am Wasserschloss Flechtlingen gibt es Mittagessen ›aus den Satteltaschen‹.

19 Allerrad Oebisfelde vom Burgturm aus gesehen20 Allerrad in der Magdeburger BördeJetzt kommt doch noch die ›Schlösser und Burgen-Tour‹. Im Schloss Altenhausen empfängt uns fröhliches Kindergeschrei. Die Ursprünge dieser Anlage gehen auf eine Niederungsburg aus dem 11. Jahrhundert zurück. Die ältesten noch heute erhaltenen Gebäudeteile stammen aus dem 15. und 16. Jahrhundert. Die Schlossanlage dient heute als Jugendherberge und Hotel. Bevor wir unser Tagesziel Schloss Hundisburg erreichen, passieren wir die romanische Kirchenruine Nordhusen (Abb. 21). Der Kirchenstumpf gehörte zu dem untergegangenen Dorf gleichen Namens. Die Türme des imposanten Barockschlosses rücken näher. Wir müssen die Räder ›bergauf‹ durch das Schlosstor schieben. Unser Quartier finden wir im ehemaligen Meierei-Gebäude. Der gesamte Komplex gehört heute einer Stiftung des Landes Sachsen-Anhalt. Das am Ende des Zweiten Weltkrieges durch Brand beschädigte Gebäude verfiel in den 1970er-Jahren. Seit der Mitte der 90er-Jahre wird die Gesamtanlage denkmalgerecht wiederhergestellt. So erleben wir Schloss und Barockgarten (Abb. 22) fast in alter Pracht. Die Etappe war 57 km lang. Da es vor Ort kein Lokal gibt, fahren wir ›unbelastet‹ noch insgesamt 10 km, um in Haldensleben zu speisen, und kehren in der Dunkelheit über den Mittellandkanal als ›Lichterkette‹ ins Quartier zurück (Abb. 23).

21 Allerrad Ruine Nordhusen22 Allerrad Schloss Hundisburg23  Allerrad Mittellandkanal bei HaldenslebenDie nächste Etappe verbummeln wir, denn es sind nur 32 km zu fahren. Als es kurz nach dem Start anfängt zu regnen, besuchen wir kurzentschlossen das ›Technische Denkmal‹ des Ziegeleimuseums Hundisburg, das praktisch um die Ecke liegt. Wir bekommen an diesem Morgen eine exklusive Führung, und wie herrlich – im Trockenen. Ein junger Mann nimmt sich viel Zeit für uns. Er führt uns anschaulich vor Augen, mit welcher Technik von den historischen Anfängen bis in die Gegenwart hier Ziegel gebrannt wurden. Er lässt die alten Transmissionsantriebe laufen und erklärt uns in den Katakomben des Zickzackofens die raffinierte Funktion des Dauerbrandes (erfunden 1868 durch Jakob Bührer). Wir sind beeindruckt vom Erfindergeist, der in der alten Technik steckt.

Hinter Haldensleben grüßen die Doppeltürme der Klosterkirche von Hillersleben. Sie ist leider geschlossen; der Nachbar nebenan weiß auch nicht, wo der Küster wohnt. Viele Ortsnamen enden in Sachsen-Anhalt auf das Suffix -leben. Das bedeutet so viel wie Erbe, Hinterlassenschaft. Davor steht meist ein alter Vorname. Zwischen Jersleben und Samswegen kreuzt der Radweg zweimal die Trasse der A 14 (im Bau). Hier sind Archäologen bei der Arbeit. Sie untersuchen das Planum der Autobahn nach Bodenfunden. Bei Samswegen sieht man beiderseits der Straße großflächige Bodenabtragungen (Abb. 24). Der Leiter der Grabung erklärt Funde und ungefähre Zeitstellung. Gerade vor dem Hotel in Wolmirstedt angekommen, Zielort der vorletzten Etappe, geht neben uns mit einem Höllenlärm ein Hubschrauber nieder. Die Wirtin von ›Auerbachs Mühle‹ erklärt: Die beiden Piloten übernachten bei ihr regelmäßig. Mit dem Helikopter patrouillieren sie entlang von Hochspannungskabeln und Gasleitungen, um mögliche Schäden frühzeitig zu entdecken.

24 Allerrad Ausgrabung Baustelle A1425 Allerrad Schiffshebewerk Rothensee26 Allerrad WasserstraßenkAm letzten Tag teilt sich unsere Gruppe wieder auf. Die einen müssen in Magdeburg die Rückreise mit der Bahn frühzeitig antreten, die anderen brauchen sich für eine spätere Abfahrt nicht zu beeilen und können sich viel Zeit lassen. Die Gruppe 1 verabschiedet sich und eilt davon. Die 2. Gruppe fährt über das Schiffshebewerk Rothensee (Abb. 25) und das Wasserstraßenkreuz zum Elbe-Radweg (Abb. 26). Nach kurzer Fahrt durch die Elbauen und den Herrenkrugpark stehen die sieben Radler vor dem Magdeburger Dom (Abb. 27). Acht Tage lang sind wir insgesamt 403 km ›ohne Akku‹ gefahren. Warum? – weil wir es können.

Peter Tischer

27 Allerrad Magdeb.Dom

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