Bericht: Radwandern im Oldenburger Münsterland vom 1. bis 8. September 2024
Wir reisten mit der Bahn in zwei getrennten Gruppen ins Oldenburger Münsterland. Warum das? Mit 14 Radlern werden die Fahrradabteile im Nahverkehr zu eng, das zweimalige Umsteigen mit Bahnsteigwechsel zur Tortur. So stiegen wir also am 1. September in zwei Siebenergruppen und zeitverschieden am kleinen Bahnhof Augustfehn aus. Die geplante Route entsprach weitgehend der dort touristisch angepriesenen ›Boxenstopp-Route‹. Dies ist eine Rundreise von ca. 360 Kilometern und bekam ihre Bezeichnung durch die Einrichtung von vielen Stopps an kulinarisch und kulturell interessanten Orten. Nach der Ankündigung im ›Waldreiter‹ erwartete alle eine wenig anstrengende Flachlandstrecke – mit einer Ausnahme: Eine Unterkunft lag hoch in den Dammer Bergen.
Im nördlichen Teil des Oldenburger Münsterland (OM) radelten wir durch eine Fehnlandschaft mit Kanälen (Abb. 1), Zugbrücken (Abb. 2) und Moorsiedlungen. ›Die ›ideale‹ Fehnsiedlung besteht, in den Niederlanden wie in Deutschland, aus einem oder mehreren ins Moor getriebenen, ursprünglich schiffbaren Kanälen, an denen die Siedlerhäuser wie an einer Perlenschnur aufgereiht sind. Der Fehnkanal, die Hauptwieke diente zunächst zur Entwässerung des Moores, zum Abtransport des Torfes mit getreidelten Schiffen und zur Anfuhr von Baumaterial, Dünger usw. Von der Hauptwieke aus wurden häufig noch Seiten- und Nebenkanäle, die In- und Achter- oder Hinterwieken, angelegt. (…)‹ (aus Wikipedia)
Das Wasser ist ein Hauptthema in diesem niedersächsischen Gebiet. Im nördlichen Teil noch der Tide der Nordsee ausgesetzt, liegt es nur knapp über dem Meeresspiegel. So fuhren wir lange an Kanälen entlang, meist beschattet von mächtigen Eichenalleen. Und das war auch gut so, denn wir erwischten außergewöhnlich heiße Tage unter einem blanken, blauen Himmel. Das Gebiet wird außerdem durchzogen von vielen kleinen, vermeintlich harmlosen Flüssen. Sie heißen zum Beispiel Soeste und Hase. Damit ihr Hochwasser nicht die Niederungen der kultivierten Moorlandschaft unter Wasser setzen, hat man sie gebändigt. Dazu dient auch die Thülsfelder Talsperre, ein riesiges Rückhaltebecken, das die Wasser der Soeste aufstaut und dosiert in ihren schmalen Lauf abgibt. Ohne diese Einrichtung wurde das Städtchen Friesoythe im Frühjahr oft überschwemmt. Der 1923 angelegte Stausee ist bei Erholungssuchenden und Wasservögeln gleichsam beliebtes Revier. Wir erlebten dort einen wundervollen Abend mit Südseeflair (Abb. 3).
Unsere Route führte uns weiter nach Cloppenburg ins dortige Museumsdorf (Abb. 4), ein weitläufiges Freilichtgelände. Die hier aus Niedersachsen zusammengetragenen Zeugnisse einer untergegangen bäuerlichen Kultur haben wir ausgiebig bestaunt. Kleine Episode am Rande: Den ermäßigten Eintritt bekommen Gruppen ab 15 (!) Personen. Wir waren 14. Wir luden zwei einzelne Radler ein, sich uns anzuschließen. Auch die kamen so in den Genuss des günstigen Eintrittspreises. Unsere lange Tagesstrecke endete in Visbek, einem besonders fahrradfreundlichen Ort: Autos dürfen sich nur mit 20 km/h bewegen, die zahlreichen Radler haben überall Vorfahrt. Unser Weg dorthin führte uns zu den eindrucksvollen Großsteingräbern im Naturschutzgebiet Twillbäke. Diese Megalithgräber (Abb. 5) aus dem 3. Jahrtausend v. C. belegen durch ihre Ausmaße eine damals wachsende Bevölkerung. Hier wurden Menschen mehrerer Generationen immer wieder nachbestattet.
Von Visbek ging es in die Dammer Berge, vor denen uns eine ›gefürchtete‹ Steigung erwartete. Wir fuhren mit nichts als Muskelkraft hinauf, verpusteten ordentlich und belohnten uns mit einem tollen Hotel mit Schwimmbad und Sauna (die leider nicht in Betrieb war). Am Folgetag ging es nach kurzem Auf-und-Ab hinab zum Dümmer See (Abb. 6), dem zweitgrößten stehenden Gewässer Niedersachsens.
Hier ist beschlossen worden, die Ränder des Sees wieder zu vernässen, um sie der Natur wieder zu überlassen. Durch kleine Dörfer rollten wir nach Damme mit seiner imposanten Kathedrale (Abb. 7).
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Aus der Stadt führte uns ein schöner Radweg auf einer ehemaligen Bahntrasse in Richtung Dinklage. Dort stand eigentlich eine Besichtigung der Wasserburg (Abb. 8) auf unserem Programm. Die Burg gehörte seit 1667 der Familie von Galen. 1949 übertrug die Familie die Gebäude der Wasserburg an die Gemeinschaft von Benediktinerinnen, die ihr Kloster in der sowjetischen Besatzungszone verlassen hatten. Wir hätten die Klosterburg gern besichtigt, dem stand an dem Tage aber das Veranstaltungsprogramm der Abtei entgegen. Eine unserer Mitfahrerinnen konnte dennoch einen kurzen Blick hinter die Klosterpforte erwirken. Von Dinklage fuhren wir am nächsten Tag weiter in Richtung Löningen an der Hase (Abb. 9). Dieser Nebenfluss der Ems strömt noch weitgehend naturbelassen durch Wiesen und Felder. Allerdings ist er auch mit Deichen gezähmt worden. Staustufen sind durch Sohlgleiten ersetzt worden. So rauschte die Hase streckenweise neben unserem Radweg dahin. Nach der Übernachtung in Löningen führte unser Weg nach Friesoythe.
Die letzte Strecke tags darauf ging wieder ins Fehngebiet mit seinen 200 Jahre alten Kanälen, weißen Klappbrücken und noch bewirtschafteten Torfabbauen. An diesem Tag stand eine Moorbahnfahrt auf unserem Programm. Die Moorbahn ›Seelter Foonkieker‹ fährt interessierte Gäste tief in das Westermoor bei Ramsloh hinein. Das Westermoor ist ein Teil des einzigartigen Moorgebietes ›Esterweger Dose‹. (aus dem Flyer des Veranstalters). Vor der Moorbahnfahrt gab es im alten Moorgut eine fachkundige Einführung. Dann ging es los. Mit zwei umgebauten Wagen (Abb. 10) und einer Schöma-Diesellok tuckerten wir durch schon renaturiertes Moorgelände bis in den wüstenähnlichen Bereich des noch laufenden Torfabbaus (Abb. 11). Zu dem rund 11.000 ha großen Gebiet, welches das größte zusammenhängende Hochmoorgebiet in Mitteleuropa war, gehörten neben der Esterweger Dose auch das etwa 1.500 ha große Ostrhauderfehner Moor, das etwa 3.800 ha große Saterländer Westermoor und das etwa 2.000 ha große Timpermoor. (…) Große Teile des Moores werden noch heute für den Torfabbau genutzt. Dabei muss aber eine 50 cm dicke Schicht Schwarztorf erhalten bleiben. Nach dem Ende der Nutzungsdauer, beginnend mit dem Ende des Jahres 2025, werden die dann aufgegebenen Torfabbaugebiete renaturiert. Ende 2030 werden auch zwei und Ende 2036 eine dritte Torfverladestation am Küstenkanal aufgegeben. Im Süden und Norden des Naturschutzgebietes wurde mit der Wiedervernässung bereits begonnen. Teile des Naturschutzgebietes werden auch forst- und landwirtschaftlich genutzt. (aus Wikipedia) Über diese Gegend sang Hannes Wader das Lied von den Moorsoldaten, die während der Nazizeit als Kriegsgefangene und KZ-Häftlinge hier im Torfabbau schuften mussten.
Nach diesem Abenteuer ging es ins Moormuseum in Elisabethfehn. Über die Menschen, ihr hartes Arbeitsleben in den Kolonien an den Kanälen und die händischen bis maschinellen Arbeitsmethoden im Torfabbau konnten wir eine Menge erfahren. Das Museum zeigt viele Exponate, ist sehr anschaulich und – man kann experimentieren (Abb. 12). Am nächsten Tag fuhren wir zurück. Auf dem Bahnhof von Augustfehn standen wir vierzehn und hofften, alle in einem Schwung mitfahren zu können. Ein besonders netter Schaffner lud uns in seinen Zug ein. So fuhren wir ungetrennt über Bremen und Hamburg nach Ahrensburg, wo wir uns in der Hagener Allee ein Eis zum Abschluss gönnten.
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Fazit: Die Befürchtung, diese Tour könnte langweilig sein, hat sich zerstreut. Dies ist ein stilles Land, es sei denn, man kommt der Autobahn nahe. Es ist ausschließlich landwirtschaftlich geprägt. Ja, es gibt große Maisflächen (Abb. 13), aber nicht nur. Der Mais wandert vor allem in die Biogas-Anlagen, ein Teil wird für Bio-Ethanol verarbeitet, ein kleiner Teil in die Schweinemastställe. Die kleinen Städte sind sehr lebendig. Etliche waren durch den Krieg zerstört und wirken sehr modern. Man pflastert die Straßen und Plätze innerorts mit roten Ziegeln. Die Moore, der Wald, Flüsse, imposante Großsteingräber, Kanäle wie in Holland machen die Tour abwechslungsreich. Unsere gefahrene Runde ist Genussradlern zu empfehlen – Rasern, die Strecke machen wollen, eher nicht.
Peter Tischer
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