Bericht: Wattwander-Wochenende vom 11. bis 14. Mai 2019 auf Neuwerk
Die Insel Neuwerk mit ca. 3 km2 gehört zum Bezirk Hamburg-Mitte, liegt im Bereich der Elbmündung im Nationalpark Hamburgisches Wattenmeer und ist ca. 8 km vom Festland entfernt. 1286 wurde sie zum ersten Mal als ›O‹ (altdeutsche Bezeichnung für Insel) und später als ›Nyge O‹ schriftlich erwähnt. Nach dem Bau des Wehrturms, dem ›Werk‹, setzt sich der Name ›Nyge Werk‹ durch, woraus Neuwerk wurde. In früherer Zeit wurde sie immer wieder zum Spielball der Naturkräfte bei Sturmfluten. Die 700-jährige Verbindung der Insel Neuwerk mit der Stadt Hamburg fußt in der besonderen Bedeutung Neuwerks als Vorposten des aufstrebenden Hamburger Hafens in der Elbmündung. Zur Kennzeichnung von Untiefen und zur Erleichterung der Navigation wurden neben dem Wehrturm schon frühzeitig Blüsenfeuer und Baken errichtet, wie die Nord- und Ostbake.
Die Sonne lacht vom Himmel, doch es ist sehr kalt und recht windig. Neun Damen treffen sich am Samstag in Sahlenburg, legen das wassergeschützte Gepäck auf eine Rampe, wo es in den Gepäckwagen geladen wird. Zuerst marschieren fünf mutige Damen (Regina, unsere Wattführerin mit Anhang und von unserer Truppe nur Elke) warm angezogen und mit Wattschuhen ins nasse Element.
Ich bin überrascht, was das Wattenmeer an Herausforderungen hat: die heftige Strömung im Sahlenburger Loch oder der besonders tiefe Priel. Ich bin froh, dass ich nach 2 ½ Stunden glücklich in Neuwerk ankomme. Meine warmen Socken und ein Schnaps retten mich vor einer Erkältung.
Die anderen besteigen eine Stunde später den Kutschwagen und einen Planwagen, der vom Trecker gezogen wird. Der Trecker rauscht durch das Sahlenburger Loch (Priel) an allen Kutschen und Wattwanderern vorbei. Alle kommen heil an, nur der Kutschwagen hat vorn links einen Platten. Wir wohnen im Alten Fischerhaus bei Fock, verteilen uns auf die Zimmer, und nach einem leckeren Kaffee auf der Terrasse unternehmen wir eine kleine Runde über die Insel. Neben einem Bernsteinhaus, einem Geschenke-Laden, gibt es die Insel-Schule. Hier werden zwei Kinder von einer Lehrerin unterrichtet. Nach dem Abendessen marschieren wir mit etwas Flüssigem und Knabberkram im Rucksack zur Anlegestelle des Schiffes ›MS Flipper‹ aus Cuxhaven, genießen den Sonnenuntergang und lassen bei netten Gesprächen und viel Gelächter den Tag ausklingen – anschließend sind wir froh, in unsere warmen Zimmer zu kommen!
Am Sonntag soll es ausgeschlafen und gut gefrühstückt nach Scharhörn gehen. Im Nationalpark-Haus hatte man uns gestern aber aufgrund der Wetterlage davon abgeraten. So entscheiden wir uns für eine Wanderung durch die Salzwiesen. Vorbei an der Stackmeisterei, zuständig für die Deicharbeiten, besteigen wir den Leuchtturm. Hamburg erwarb das Recht, im Jahr 1300 diesen Turm zu errichten, der die Überwachung der Elbe übernahm. Nach einem Brand 1376-79 erneuert, ist es das älteste hamburgische Bauwerk, das erhalten blieb. 1814 installierte man ein Leuchtfeuer und es verlor seine Bestimmung als Wehrturm. Unten gibt es einen Köbmannsladen mit einer Gaststätte sowie ein kleines ›Inselkaufmanns Toilettenhäuschen‹. Auch das Schullandheim, zwar etwas erneuert, ist noch in Betrieb. Noch ein Blick auf den Friedhof der Unbekannten. Ein junger Mann wurde hier namentlich beerdigt, alle anderen, die angespült wurden, sind namen- und heimatlos hier begraben. Verstorbene Neuwerker werden auf dem Festland beigesetzt.
Die Scharhörn-Wanderer sind nach einer knappen Stunde vorzeitig wieder zurück, sie hätten es zeitlich wohl nicht geschafft, die Naturgewalten sind stärker. Nun geht es in die Salzwiesen, der Schutzzone 1. Verschiedene Möwen und andere Vogelarten kreischen und fliegen um/über uns und zu ihren Gelegen. Der Weg führt zur Ost-Bake, eine historische Landmarke von 1635. Sie diente bis in das 20. Jahrhundert den Tonnenlegern zur Orientierung in der Elbmündung. In der Nacht des 18.01.2007 brachte der Orkan ›Kyrill‹ die Bake zu Fall. Als kulturhistorisches Wahrzeichen der Insel wurde sie im Herbst 2009 in ursprünglicher Höhe von ca. 25 Metern wieder errichtet.
Auf dem Weg, den wir nicht verlassen sollen, um die Vögel beim Brüten nicht zu stören, sehen wir etliche leere Eierschalen – auch ein frisch aufgepicktes Ei, zu erkennen am frischen Eidotter. Ebenso ein frisches Gelege, was wohl verlassen wurde. Die Abertausende von Gänsen fressen sich auf den Wiesen für ihren Weiterflug nach Sibirien satt, die Hinterlassenschaften sind nicht zu übersehen – und wir haben alles unter den Schuhen. Unser Wirt hat 22 Pferde für die Kutschfahrten und erzählt, dass man Heu zufüttern muss, da die Wiesen alle von den Gänsen abgefressen sind. Da es Naturschutzland ist, kann man halt dagegen nichts tun. Zum Abschluss machen wir noch eine kleine Wattwanderung vom kleinen Badehaus aus, heute verlassen und nur von Fliegen und Käfern bewohnt – ein netter Abschluss. Heute Abend hat Elke für uns eine Fischplatte vorbestellt: Das Salatbuffet ist freigegeben und die Fischplatten, Senfsoße und Bratkartoffel werden serviert – lecker! Danach geht es wieder zum ›Sundowner‹.
Montag gehen wir ins Watt, vom Badehäuschen aus, zum ›Vogelsang‹. Christa entscheidet sich für eine Kutschfahrt nach Scharhörn, die kurzfristig angeboten wird, wir anderen genießen alle die Wattwanderung. Maximal knöchelhoch reicht das Wasser, man kann fast bis zur Fahrrinne laufen. Mit Glück findet man auch Bernstein. Obwohl flaches Wasser – die Kälte und der Wind machen uns zu schaffen. Es ist eine Erfahrung für sich, bei dem Wetter ins Watt zu gehen, obwohl die Sonne lacht. Abends nach dem Essen gehen wir wieder zum ›Absacker‹ und Sonnenuntergang schauen. Gut, dass wir nicht länger auf der Insel verweilen, die Gepflogenheiten von Regina und ihrer Truppe würden wir nicht länger durchhalten!
Am Dienstag ist es fast windstill, die Sonne strahlt wieder und die Temperatur steigt auf ca. 15 °C. Koffer packen, jeder für sich oder in kleinen Grüppchen genießen wir die letzten Stunden, bevor es mit der Pferdekutsche zurück nach Sahlenburg geht. Mit zwei Autos fahren wir dann heimwärts. In Otterndorf halten wir noch für eine letzte Kaffeepause.
Es war eine tolle Zeit mit einer tollen Truppe, danke, Elke, für die super Vorbereitung!
Erika Lembcke, Fotos von Erika Lembcke und Elke Meyer
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